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Seth – ägyptischer Gott der Kraft

Als ägyptischer Gott der Kraft dürfte Seth zu den interessantesten Göttern Ägyptens gehören. Sein Wesen ist zwielichtig, sein Werdegang turbulent. Vermutlich war die Haltung der alten Ägypter ihm gegenüber nicht eindeutig festgelegt.

Das Seth-Tier und die Tiere des Seth

ägyptischer Gott der Kraft Seth

Seth wurde durch ein Tier dargestellt, dessen Herkunft bis heute ungeklärt ist. Eine weitere Darstellung zeigt ihn in menschlicher Gestalt mit dem Kopf dieses Tieres. Es lässt sich keiner Tier-Gattung eindeutig zuordnen.

Der schlanke Körper dieses Tieres ähnelt dem Körper eines Windhundes. Seine Schnauze ist länglich und leicht nach unten gebogen. Seine länglichen und eckig-gestutzten Ohren stehen aufrecht, ebenso sein Schwanz, der einer Pfeilspitze ähnelt und senkrecht nach oben zeigt.

Dieses Tier muss relativ früh ausgestorben sein. Auch die alten Ägypter hatten unterschiedliche Deutungen dazu, von denen jedoch keine sicher schien.

Das Sethtier ist auf Jagdbildern (Mittleres Reich) zu sehen. Sein Name ist Scha, seine Heimat die Wüste.

Andere Tiere wurden Seth später zugeordnet, allerdings nur nachrangig. Der Esel wird mit Seth noch am engsten verknüpft. Des Weiteren: die Antilope, die Gazelle, das Krokodil, das Nilpferd und das Schwein. Das verbindende Merkmal dieser Tiere besteht darin, dass sie kein hohes Ansehen bei den Ägyptern besaßen. Das Schwein z. B. galt als unrein und durfte nicht in die Nähe der Tempel gebracht werden. Der Esel mühte sich als Lasttier ab.

Seth ist ein Gott der Kraft

Blitz als Kraftausdruck von Seth

Die meisten Texte heutzutage, die Seth beschreiben, schildern ihn als einen bösen Gott. Als ägyptischer Gott der Kraft verfügt Seth über zerstörerische Kräfte. Die alten Ägypter feinden ihn zunehmend an und drängen ihn ab. Wir werden im Verlauf des Artikels zu einer etwas bewertungsfreieren Sichtweise gelangen.

Was jedoch sicher ist: Seth bleibt auf eine gewisse Weise nicht bestimmbar. Das lässt sich aus seinem Wesen erklären. Beiworte beschreiben ihn oft als einen starken Gott, „groß an Kraft„.

Seine Kraft entlädt sich im Kampf und in Naturgewalten: „Seth wütet“. Seine Kraft zeigt sich nicht nur „körperlich“, sondern er gilt auch als jemand, der reich an Zauberkraft wirkt.

Gott im Prozess der Neuordnung

Seth schafft die Grundlage von neuen Formen

Seth wird mit Typhon (bzw. Apophis) gleichgesetzt, mit der furchtbaren Kraft und dem schrecklichen Gebrüll. Man ruft Seth in seiner zerstörerischen Funktion an: Er ist ägyptischer Gott der Kraft. Er wird aufgefordert, „wider Recht und Unrecht zu handeln“. Seth ist ein Gott, der sich trotz der Gewalt, wenn sie sich gegen ihn richtet, wieder erhebt. Er kann nicht getötet werden.

Um eine bestehende Ordnung zu verändern, muss sie zerstört werden. Auch dafür steht Seth. Er wird also dazu aufgerufen, außerhalb von Recht und Unrecht zu handeln. Gesetze müssen sich ändern, Ordnungen sich neu strukturieren, um den veränderten Lebensbedingungen der Menschen angepasst zu werden.

Daher wird Seth niemals sterben, denn er ist auch als chaotische und zerstörerische Kraft notwendig für das weitere Fortbestehen der Welt.

Seth ist Gott der Wüste

Als Gott der Wüste passt er sehr gut zum Charakter seines Tieres und zu den Orten, wo er verehrt wurde. Seth galt als Schutzgott der Wüste, der Wanderer vor Unheil bewahrt.

Dennoch war Seth im gewissen Sinne die Wüste selbst. Er war der Herr der dunklen Gewalten, der Gewitter-Stürme, allgemeiner: Herr der Unwetter. Doch wer das Unwetter erzeugt, der kann es auch bannen.

Seth Gott der Wüste

Hier zeigte sich womöglich eine Vorsicht und der Respekt der Ägypter, denn Seths Wüten kann verheerende Folgen haben. Seth ist nicht nur ein ägyptischer Gott der Kraft, sondern Zerstörer. Eine andere mögliche Interpretation mag vielleicht darin bestanden haben, dass die Ägypter die Unwetter als Niederringen anderer und fremdartig-böser Mächte interpretierten.

Das Wesen von Seth ist also nicht eindeutig böse. Er hat die Kraft, Unwetter zu erzeugen und zu bekämpfen.

ägyptischer Gott der Kraft Seth - Herr der Wüste

Herr des Lebens

Auf einigen Darstellungen kämpft Seth vor der Sonnenbarke mit Apophis, der Schlange. Er ist ein eindrucksvoller Kämpfer, der alles tötet, was sich ihm in den Weg stellt. Damit rettet er Re und erhielt die Auszeichnung: „Herr des Lebens“. Seth zeigte sich als nicht besiegbar und gnadenlos. Man machte sich ihn lieber nicht zum Feind und fürchtet ihn.

Herr der Barbaren

Seth ist als Gott der Wüste auch Herr der Barbaren, die dort wohnen. Da die Wüste zum Ausland gehört, wird Seth der Gott aller Fremdvölker. Das ist nicht notwendig negativ zu verstehen, denn Seth als ägyptischer Gott zwingt die Fremdvölker vor dem König in die Knie.

Was passierte, als die Fremdvölker in Ägypten einfielen?

Vielleicht ist spätestens hier ein Schatten zu sehen, der sich über Seths Ansehen warf. Ägypten stand eine Zeitlang unter der Fremdherrschaft von Hyksos. In deren Gott Baal entdeckten die Ägypter Seth wieder, der demzufolge schon weit zuvor dort als Gott gelten musste. Baal wurde mit Seth gleichgesetzt. Die Verbindung von Seth mit dem Ausland wurde immer enger.

Um diesen Aspekt zu betonen, wird Seth menschlich dargestellt, mit einem Paar Hörner auf der ober-ägyptischen Krone. Sein Leib ist geschmückt mit bunten, fremdartigen Zeichen, Bändern und Schurz. Ein Band fällt von der Krone ausgehend lang über seinen Rücken herab und berührt fast den Boden.

Immer noch wird Seth nicht „verfolgt“, auch als die Hyksos vertrieben wurden.

Seth und Osiris

Ägyptischer Gott der Kraft - Seth

In einigen Kampfmythen tritt Seth als Widersacher von Osiris auf. Ein möglicher Gegensatz ist eventuell darin zu sehen, dass Seth, als Herr über die Wüste, das Fruchtland von Osiris bedroht.

Wie dem auch sei, Seth wird zum Mörder des Osiris. Dann tritt wiederum das Göttergericht auf (oder die Entfesselung eines Kampfes) und spricht sein Urteil. Der Spruch ist hart. Seth wird gedemütigt, indem er Osiris huldigen muss. In manchen Beschreibungen ist er auf ewig dazu verdammt, unter Osiris Füßen zu liegen und ihn zu tragen.

Das klingt wiederum dramatisch für Seth, dürfte aber aus der Deutung der beiden Lebensprinzipien klarer werden, denn chaotische Kräfte haben sich der Ordnung zu fügen. Außerdem steht Seth der Erde sehr nahe, was im o. g. Mythos angedeutet wird.

Ungezügelte Kraft des Chaos

Ägypten-Götter - Seth als Naturgewalt - Tornado

Als Ägypten vom Ausland, den Persern, bedroht wurde, wird über das verderbliche Wirken des Seth geschrieben. Das ägyptische Anliegen scheint die Tötung des Seth zu sein, denn Seth und seine Gefolgschaft müssen vernichtet werden.

Hier muss man wissen, dass das Ausland für das Chaos stand. Das Chaos musste bekämpft werden. Es musste außerhalb der Grenzen der Ordnung bleiben, denn es bedrohte die bestehende Ordnung der Ägypter. Seth ist die ungezügelte Kraft, welche nicht geformt ist.

Ägypten-Götter - Seth als Naturgewalt - Blitze

Dadurch rückt er immer enger mit Apophis zusammen, die er noch vormals überwand. Damit scheint sich die Situation umzukehren: Seth wendet sich gegen die Ägypter. Er wird mit den ärgsten Schimpfnamen belegt und steht nun für jedes Übel. Seine kraftvollen Beinamen erhielten schließlich andere Götter.

Seth in der Neunheit der Götter

Als Sohn von Geb und Nut gehört er mit seinen Geschwistern: Osiris, Isis und Nephthys zur Neunheit von Heliopolis. Alle anderen acht Götter bleiben in der Neunheit relativ konstant. Nur Seth wird gerne ersetzt, durch Horus oder Thot. Er wirkt in der Neunheit isoliert, obwohl Nephthys seine Gemahlin ist. Doch ihre Verbindung scheint locker und hat keine Konsequenzen.

Auch seine Geburt scheint seine Isolierung zu unterstreichen. Er kommt gewaltsam auf die Welt, nicht, wie gewöhnlich durch die Weiche, sondern durch den Mund der Göttin Nut. Das ist eine konsequente Beschreibung seines Wirkens.

Seth kommt nicht ordentlich auf die Welt, sondern als ägyptischer Gott der Kraft durch seine eigene Kraft. Hier wird deutlich darauf hingewiesen, dass Seth den anderen Pol des Lebens repräsentiert.

Seine Farbe ist Rot, nicht wegen der Wüste, sondern wegen des Unheils. So wird er z. B. als Nilpferd rot dargestellt. Eine weitere mögliche Parallele: Die rote unterägyptische Krone musste der einst weißen Krone Oberägyptens weichen.

Seth und Horus

Seth - ägyptischer Gott der Kraft

Im Neuen Reich sind Anzeichen zu finden, die dem Ansehen Seth zusetzten. Sie gründen in der Verbindung zu Horus. Beide galten als Schutzgötter des Königs und stehen ihm zur Seite. Gemeinsam vollziehen sie z. B. die Reinigungen, welche vor jedem Fest stattfanden. Sie spenden dem König nicht nur Schutz, sondern geben ihm Macht. Der König wurde selbst zu Seth und Horus.

Später weiß man zum großen Teil aber nur noch von Horus, was als eindeutige Bevorzugung gedeutet wird und dort, wo er doch noch mit Seth zu sehen ist, nimmt Horus die Ehrenstellung ein.

Dualismus zwischen Horus und Seth

Wo bzw. wie entstand der Dualismus zwischen Seth und Horus?

Manche sehen diesen auf politischem Gebiet. Es wird angenommen, dass es in der Vorzeit ein Reich des Seth gab und ein Reich des Horus. Durch den Kampf der beiden könnte auf eine Rivalität geschlossen werden. Dass Horus als Sieger daraus hervorgeht, macht Seth nicht eindeutig zum Verlierer, denn Ägypten wird geteilt. Seth erhält Oberägypten und Horus Unterägypten. In anderen Sagen werden die Hälften vertauscht, d. h. Seth herrscht über Unterägypten, Horus über Oberägypten.

Seth Herr der Wüste

Dennoch bleibt es nicht dabei. Horus wird Herr über das gesamte Ägypten und Seth, Herr über die Wüste. Er scheint damit ins Ausland abgedrängt. Wenn man Texte hinzunimmt, die von einer Verbannung des Auslandes sprechen, so liegt die Vermutung nahe, dass Seth damit gemeint ist.

Doch diese Interpretation ist nicht zwingend, denn Horus wird in anderen Texten immer noch mit Seth zusammen als Herren beider Länder beschrieben.

Der Kampf zwischen Seth und Horus

Wenn man das Wesen beider untersucht, fällt auf, dass Horus als Falken-Gott seine Heimat in der himmlischen Sphäre hat, während Seth der Erde angehört. Denn die Winde und Stürme, über die Seth herrscht, kommen aus der Erde hervor.

Dieser Gegensatz beider, welcher nicht oft, aber in manchen Schriften in Form von Kämpfen Ausdruck erhält, sind in den verschiedensten Dynastien zu finden. Obwohl Horus im Vorteil scheint, tragen doch beide schwere Wunden davon und keiner der beiden unterliegt.

Thot, als Ordner des Weltalls, schafft einen Ausgleich: Seth erhält seine Hoden zurück, die Horus ihm ausriss und Horus dafür sein Auge. Damit bringt Thot den zuvor gestörten kosmischen Zustand wieder in Ordnung.

Was auffällt: Der Streit zwischen den beiden wird als Rechtsstreit ausgetragen, d. h., der Kampf der beiden Brüder wird nicht durch Gewalt entschieden. Damit ist viel ausgesagt. Denn es wird ein funktionierender Staat vorausgesetzt, der für Ordnung sorgt. Des Weiteren siegt damit die Ordnung über Gewalt. Seth wird nicht ausgegrenzt, sondern in eine bestehende Ordnung integriert.

Dieses Prinzip:

  • Entzweiung und Kampf
  • Schlichtung und Teilung
  • Vereinigung (der beiden Länder)

wiederholt sich permanent, nicht nur im damaligen politischen Leben, sondern auch in den verschiedensten Varianten der Mythen.

Zwei Lebensprinzipien: Kraft und Form

Horus steht für Recht und Ordnung, Seth für Kraft und Gewalt. Die Gewalt bzw. Kraft wird eindeutig dem Gesetz unterstellt, damit sie nicht zerstört, sondern das Leben und damit den Gang der Welt aufrechterhält.

Man könnte auch sagen, dass Horus mit der Form (Gesetze, Regeln) korrespondiert, welche durch die Kraft Seths belebt wird. Wird die Kraft Seths zügellos, so zerbrechen die Formen und die Welt verfällt mehr und mehr dem Chaos.

Im obigen Mythos wird Seth mit dem Hoden und Horus mit dem Auge in Verbindung gebracht. Der Hoden steht für die Zeugungskraft des Mannes, während das Auge des Gesetzes über die Einhaltung der Regeln wacht.

Mit dieser Zuordnung werden zwei wichtige Lebensprinzipien angedeutet: Ohne Hoden=Kraft, ist keine Zeugung von Leben, allgemeiner: keine Dynamik des Lebens denkbar. Fehlen dagegen die Augen, ist die Kraft blind und zerstört alles, was lebt. D. h. beide Prinzipien sind notwendig. Sie müssen zusammengebracht und versöhnt werden, was letztlich immer wieder eine Neuordnung begründet und damit das oftmalige Herausheben von Horus erklärt.

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Quellen

Beitragsbild „Seth“ von Harald Schmidt.

5 Gedanken zu „Seth – ägyptischer Gott der Kraft“

  1. seth tierkopf-bedeutung: als tier der wüste ist meiner meinung nach der schakal naheliegend. daher wurde seth mit dem kopf eines schakals dargestellt. soweit mir bekannt ist, hatte der pharao sethos I. und seine nachfolger, die ramessiden (ramses II. als der bekannteste), seth zu seinem schutzgott erklärt. damals scheint noch eine positive assoziation mit kraft und macht funktioniert zu haben – ohne die negative zuschreibung der zerstörung und ausgrenzung.

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    • Seth: Tierkopf – Bedeutung: Es kann der Kopf eines Schakals sein, muss aber nicht.
      Dagegen spricht:
      Anubis wird schon mit einem Schakalkopf dargestellt. Es ist ziemlich zweifelhaft, dass einer der „guten“ Götter sich den Kopf desselben Tieres mit dem Gott, den alle am meisten fürchten teilt.
      Dafür spricht:
      Das Seth-Tier und der Schakal sind einander ähnlich.
      Außerdem wird unter Wissenschaftlern auch die Theorie vertreten, dass die Darstellung des Seth-Tieres immer verzerrter und unwirklicher wurde, weil ihn alle so fürchteten.

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    • Ja, stimmt, wenn auch der Rüssel des Ameisenbäres sehr viel länger ist. Der Ameisenbär ist in Amerika sehr verbreitet. Es deutet nichts darauf hin, dass ein Vorfahre von ihm im Alten Ägypten lebte.

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