Der Geier ist im Alten Ägypten das Tier der Göttinnen Mut und Nechbet. Viele Königinnen tragen den traditionellen Kopfschmuck, eine Geierhaube. Denn die Geierhaube symbolisiert im Alten Ägypten die Funktion einer Mutter.
Der Geier als Tier von Mut
Mut wurde mit der Geierhaube auf dem Kopf dargestellt. Der Geier stand symbolisch für die Verkörperung des weiblichen Prinzips. Denn man ging im Alten Ägypten davon aus, dass es nur weibliche Geier gibt. Das Wort „Mut“ bedeutet „Mutter“ und wird mit der Geier-Hieroglyphe geschrieben. Dadurch verweist der Geier auf Muts Rolle einer Muttergöttin.
Deshalb sind auch viele andere weibliche Götter mit der Geierhaube abgebildet worden. In Verbindung mit der thebanischen Triade sorgt Mut für die Familie und ihren Schutz. Die Göttin Mut wurde bildlich immer menschlich dargestellt.
Man fand in Theben zahlreiche Geiermumien. Sie zeugen von einem lebendigen Tierkult, der Verehrung des Geiers. Durch die Verbindung des Geiers mit Mut ist sie für das Volk – durch den Geierkult – immer lebendig geblieben.
Der Geier als Tier von Nechbet
Nechbet wurde gerne in Gestalt eines Geiers abgebildet (zuweilen aber auch menschlich). Da sie die Landesherrin von Oberägypten war, galt sie gleichermaßen als seine Schutzherrin. Damit wurde der Geier das Symboltier Oberägyptens, während die Schlange diese Funktion für Unterägypten erhielt (-> Landesgöttin Uto).
Beide Schutzgöttinnen: Nechbet und Uto wurden als die mythischen Mütter des Königs verstanden, wobei hier wieder das weibliche Prinzip, verkörpert durch den Geier (der Geierhaube), zum Tragen kommt. Der Geier war als Tier von Nechbet auch im Königsschmuck abgebildet.
Das männliche und weibliche Prinzip
Da die Alten Ägypter davon ausgingen, dass es nur weibliche Geier gibt, stand er für das weibliche Prinzip. Für das männliche Prinzip hingegen stand der Käfer, von dem man ausging, es gäbe nur männliche Exemplare. Beide Tiere wurden miteinander verbunden. Dies wurde durch die Namen Neith und Ptah ausgedrückt. Dadurch sollte gezeigt werden, dass die Schöpfergottheiten beide Prinzipien in sich vereinigen.
Geier als Schutzsymbol
Neben seiner engsten Verbindung zu Muttergottheiten wurde der Geier mit seinen ausgebreiteten Schwingen gerne als Schutzsymbol eingesetzt. Nicht nur auf Amuletten, die dem Toten in ihr Grab mitgegeben wurden, ist er zu sehen. Auch über manchem Gang brachte man ihn an, der in das Allerheiligste führte.
Die Schutzfunktion des Geiers galt primär der wichtigsten Person im Land, dem König. Daher sind viele Königsstatuen mit einem Geier auf den Schultern oder dem Nacken des Pharaos zu sehen. Auch auf Kronen wird der Geier in seiner Schutzfunktion abgebildet. Des Weiteren breitet er seine Flügel über die Namenshieroglyphe des Königs aus.
Quellen
- Beitragsbild: Geier mit der Krone von Ober- und Unterägypten, Pixabay.
- Isis-Relief mit Geierhaube, Pixabay.
- Isis-Illustration schwarz-weiß, Pixabay.
- Ägyptischer Geier im Gleitflug, Pixabay.
- Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 210 f. (Geier).
- Gander, Manuela (2006) „Ägypten. Ein Tempel der Tiere“ (pdf.) „Zum Schutze des Königs – Geier im Alten Ägypten“ Seite 80 ff. (auf Academia; Stand: 23.11.21).
- Owusu, Heike (1998), „Symbole Ägyptens“, Schirner Verlag, Darmstadt, Seite 92-94 (Die Urmutter: Mut, Landesgöttin Oberägyptens: Nechbet).