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Ägyptisches Symbol – Herz

Das Herz war wohl das wichtigste Organ und Symbol im Alten Ägypten. Es war der Sitz des Gewissens, des Verstandes, aber auch der Gefühle und Affekte. Das Herz bedeutete Leben.

Das Herz im Körper des Menschen

Herzskarabäus
Nur zum Wiegen im Totengericht wird das Herz entnommen und in ein Gefäß gegeben. Wenn alles gut läuft, kommt es danach wieder zu seinem Besitzer zurück.

Schon der Alte Ägypter wusste um die wichtige Funktion des Herzens für den Körper des Menschen. Es ist das zentrale Organ, das sich in alle Glieder ausströmt. Legt jemand seine Hand auf das Herz, so spürt er das, „was aus den Gefäßen aller Glieder spricht.“1 Dieses „Sprechen des Herzens“ ist das Leben selbst. Das Herz ist also das Symbol für Leben.

Wenn Osiris im Totenschlaf liegt, dann ist sein Herz matt und mehr noch. Denn das Herz kann nicht nur müde sein, sondern es kann auch davongehen und wegbleiben. Es lässt sich dann abseits von seinem Besitzer nieder. Doch der Tote braucht sein Herz, wenn er künftig leben will.

Deshalb gibt man das Herz bei der Mumifizierung wieder in den Körper des Toten. Es wird nicht, wie die anderen Eingeweide, separat in Kanopenkrügen bestattet.

Das Wesen des Herzens

Herzskarabäus ist im Totenkult das Symbol für Herz.
Der Herzskarabäus befindet sich bei der Mumie in der Nähe des Herzens (Solarplexus). Hier trägt der Käfer den Widderkopf von Chnum, dem Schöpfergott.

Das Herz im Alten Ägypten ist jedoch sehr viel mehr als das (physische) Leben. Es hat auch eine individuelle Prägung erhalten, je nachdem, wie der Mensch lebte. Aus dem Herzen kommen die Gefühle und Affekte, die guten und die bösen. Deshalb wird das Herz im Totengericht (auch Jenseitsgericht) gewogen. Dort kommt das Wesen des Menschen zum Vorschein.

War er ein „Hörender“? Oder war er ein „Nichthörender“? Nahm er die Gebote und Lehren an? Richtete er sein Handeln danach aus oder lehnte er sie ab?

Auch der Verstand ist eine Funktion des Herzens. Sia, das Erkennen, hat seinen Sitz im Herzen. Deshalb dachte sich Ptah mit seinem Herzen die Schöpfung aus und nicht mit seinem Kopf, wie wir es heute formulieren würden. Das Herz leitet die Gedanken, welche wiederum das Handeln bestimmen. Deshalb ist das Herz im Alten Ägypten auch ein Symbol für Schöpfung – sozusagen ein Schöpferorgan.

Symbol Herz und Zunge

Pharao Thutmosis III
Ein gutes Zusammenspiel von Herz und Zuge sicherte eine gerechte Herrschaft des Pharao (hier: Thutmosis III, Stiefsohn von Hatschepsut, die gleichzeitig seine Tante war).

Neben dem Herz ist auch die Zunge Schöpferorgan. Denn sie wird im Alten Ägypten mit der Fähigkeit zu sprechen gleichgesetzt. Herz und Zunge gehören, streng genommen, zusammen. Denn das Herz ist der Sitz des Denkens. Gedanken werden im Alten Ägypten aber erst durch das gesprochene Wort Realität. Ein gutes Zusammenspiel von Herz und Zunge ist nicht nur für einen Schöpfergott wichtig, sondern auch für einen König. Nur dann kann er gute Entscheidungen treffen und gerecht herrschen.

Symbol Herz – der Herzskarabäus

Das Herz wird mit dem Skarabäus verknüpft, aber nur im Totenkult. Oft ist auf dem Skarabäus ein Totenbuchspruch notiert (Vers 30 A oder B). Gerne legte man es den Mumien neben das Herz, doch es ersetzte das Herz nicht. Der Alte Ägypter erhoffte sich dadurch, dass sein Herz beim Wiegen im Totengericht nicht gegen ihn aussagt. Er möchte, dass es zu ihm zurückgebracht wird, denn er braucht es für sein ewiges Leben. Herzskarabäen gehören ab dem Neuen Reich zum Standard einer Grabausstattung (für gehobene Ansprüche).

Mein Herz meiner Mutter,
Mein Herz meiner Mutter,
mein Herz meiner wechselnden Formen –
Stehe nicht auf gegen mich als Zeuge,
tritt mir nicht entgegen im Gerichtshof,
mache keine Beugung wider mich vor dem Wägemeister!
Du bist mein Ka, der in meinem Leib ist,
mein Schöpfer (CHNUM), der meine Glieder heil macht.
Mögest du hervorgehen zu dem Guten,
das uns dort bereitet ist!
2

Das Herz als eigenständige Macht

Symbol Herz: Herzskarabäus in Brusthöhe der Mumie
Der Herzskarabäus wird in die Nähe des Herzens der Mumie befestigt, damit es nicht gegen seinen Besitzer aussagt. Hier handelt es sich um einen gemalten Herzskarabäus.

So gewinnt das Herz sehr viel Macht im Leben des Menschen und im gewissen Maße auch über ihn. Es wird zu seinem Ka und sogar mehr; es wird zu seinem Gott, der in ihm, den Menschen wohnt.

Durch die enorme ethische Prägung wird das Herz zum Gewissen des Menschen. Es waltet in ihm wie eine zweite, höhere Macht und wird sein Gegenüber, mit dem er sogar reden kann. Kein Wunder also, wenn der Alte Ägypter alles tut, damit er sein Herz im Totengericht wiederbekommt.

Deshalb werden bei der Mumifizierung in der Nähe des Herzens herzförmige Amulette bzw. Herzskarabäen gegeben, die dafür Sorge tragen, dass sich das Herz nicht gegen seinen Besitzer erhebt bzw. dass ihm sein Herz zurückgebracht wird.

Zwei Ausdrücke für Herz: ib und hati

Vielleicht sollte mit den beiden Ausdrücken für Herz zwischen dem körperlichen Organ und der moralischen Instanz unterschieden werden. Hati wäre dann der Begriff für das körperliche Organ. Doch das hat sich bis heute nicht bestätigt. Vermutlich sind beide Ausdrücke hati und ib Synonyme für Herz.

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Quellen und Einzelnachweise

1 Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 296.
2 Hornung, Erik (eingeleitet, übersetzt und erläutert), „Das Totenbuch der Ägypter“, 2. Auflage 2000, Artemis & Winkler Verlag, ppb-Ausgabe 1998 Patmos Verlag GmbH & Co. KG. Spruch 30 B, Seite 96

  • Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 296 f. (Herz).
  • Marìa Isabel Toro Rueda. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrads an der philosophischen Fakultät (Georg-August-Universität Göttingen 2003), Das Herz in der ägyptischen Literatur des zweiten Jahrtausends v. Chr., Untersuchungen zu Idiomatik und Metaphorik von Ausdrücken mit ib und hati (pdf.).
  • Feucht, Erika (2001), Der Weg ins Leben. Seite 35 f. (Originalveröffentlichung in: Véronique Dasen (Hrsg.), Naissance et petite enfance dans l’Antiquité, Actes du colloque de Fribourg, 28. Novembre – 1er décembre 2001 (Orbis biblicus et orientalis 203), Fribourg/Göttingen 2004, S. 33-53).
  • Assmann, Jan (1993), Zur Geschichte des Herzens im Alten Ägypten. Seite 85 (Originalveröffentlichung in: Jan Assmann; Theo Sundermeier (Hg.), Die Erfindung des inneren Menschen. Studien zur religiösen Anthropologie, Gütersloh 1993, S. 81-112).