Götterfamilie - die Neunheit
Der Stammbaum der Neunheit
In Heliopolis (ägypt. On) wurde aus 9 Schöpfungs-Göttern die Götterfamilie der Neunheit gebildet. Im Gegensatz zur Achtheit ähnelt ihre einfache Struktur einem Stammbaum, in dem die Götter nach ihren Verwandtschaftsbeziehungen hierarchisch geordnet sind:
Atum ist der älteste Schöpfergott. Er zeugt sich aus sich selbst heraus sowie seine Kinder: Schu (Luft) und Tefnut (Feuchtigkeit). Schu und Tefnut zeugen den Gott Geb (Erde) und die Göttin Nut (Himmel). Geb und Nut zeugen wiederum die vierte und letzte Generation der Neunheit: Osiris, Isis, Seth und Nephthys. Die Geschwister sind also gleichzeitig Eltern der nächsten Generation.
In den ersten beiden Götterpaaren zeigen sich die großen kosmischen Erscheinungen: Luft, Feuchtigkeit, Erde und Himmel.
So wurde Atum als Urgrund verstanden, aus dem alle Schöpfung entstand und zu dem alles wieder zurückkehren wird.
Die Götterfamilie der Neunheit wurde immer wieder modifiziert (je nach Zeit und Örtlichkeit):
- indem die hierarchische Stellung der Götter verändert, oder
- indem manche Götter ausgewechselt, oder
- indem andere Götter mit aufgenommen wurden und damit die Begrenzung auf die Zahl 9 nicht mehr eingehalten wurde.
So gibt es in den ägyptischen Schriften viele Neunheiten, die mal mehr oder weniger '9' waren.
Die Ordnung der 9
Hinter der Ordnung der 9 stehen weniger traditionelle Überlieferungen als vielmehr theologische Auseinandersetzungen und Arbeiten der Priester. Hieraus lassen sich leicht die Unterschiede und - für manch einen - empfundenen Widersprüchlichkeiten erklären.
Ein Beispiel hierfür sind Geb und Nut. Nach alten Überlieferungen standen sie am Beginn der Welt und galten als Eltern der Sonne. Atum, sowie Schu und Tefnu erhoben sich dann über sie. Atum wurde mit Re gleichgesetzt und zum Urgrund, zum Urhügel gemacht, aus dem schließlich die Schöpfung hervorging.
Ein weiteres Beispiel: Es fällt auf, dass Horus nie in die Neunheit aufgenommen wurde, obwohl er eine wichtige Position einnahm. Auch das versuchten die Ägypter zu verändern, indem Horus den Namen Harachte erhielt, was übersetzt: "Horus vom Horizont" (des östlichen Horizontes), heißt. Durch seine Verschmelzung mit Re wurde er zu Re-Harachte und damit deutlich in die Nähe des Sonnengottes gerückt.
Diese Lösung war nicht zufriedenstellend, denn zum einen hatte man es mit einer Sonderform des Horus zu tun, zum anderen musste man ihn mit Re verschmelzen - er ging sozusagen in Re auf. Ein anderer Versuch Horus in die Götterfamilie der Neunheit zu integrieren, bestand darin, ihn einfach als zehnten Gott anzuführen, als Sohn von Isis und Osiris (bzw. als fünftes Kind von Geb und Nut). Aber auch dieser Versuch setzte sich nicht durch.
Horus schaffte den Einzug in die Neunheit nicht
Woran könnte das gelegen haben? Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass mit seinem Auftreten, als Widersacher und Besieger von Seth, ein neues Zeitalter bzw. eine neue Ära eingeleitet wurde. Horus vereinigte durch seinen Sieg das zuvor getrennte Ober- und Unterägypten. So gesehen ist er der Nachfolger und das Erbe der Neunheit.
Dennoch wurde damit die Neunheit nicht durch Horus abgelöst, sondern weiterhin lebendig gehalten. Auch löste er die Vormachtstellung des Atum nicht ab. Er blieb ihm immer untergeordnet. In der Spätzeit wurde Seth teils durch Horus, teils durch Thot ersetzt, was plausibel ist, denn Seth verlor seinen Kampf gegen Horus. Aber Seth wurde nie grundlegend aus der Götterfamilie der Neunheit entfernt.
Die Neunheit
Gespeichert von Gast am So, 05/05/2013 - 00:44