Obwohl Thot (oder Thoth) als ägyptischer Gott des Wissens sehr bekannt ist, weiß man über die Bedeutung seines Namens wenig. Das gilt auch für die Anfänge seines Kultes. Die Griechen nannten ihn Tout und die Ägypter Dehuti (Djehuti, Tehut, Tahuti).
Thot hat zahlreiche Heiligtümer besessen. Sein ältester Kultort liegt im oberägyptischen Hermopolis. Er verschmolz früh mit dem Paviangott Hezur. Von ihm hat er einige Eigenschaften erhalten, nicht nur die Erscheinung als Hundskopfaffe. So erhielt Thot den Rang eines Sprechers und Führers der Götter Oberägyptens.
Obwohl Thot in Hermopolis verehrt wurde, hatte er nur lose Verbindungen zu den Urgöttern der Achtheit von Hermopolis.
Thot – Gott des Wissens
Als ägyptischer Gott des Wissens wird Thot das gesamte Schreibwesen unterstellt. Er hat auch die heiligen Schriftzeichen – die Hieroglyphen – für den Menschen erfunden. Bibliotheken und das „Lebenshaus“ stehen unter seinem besonderen Schutz. Jeder Ort des Wissens wird ihm zugeordnet. Thot ist der „Herrscher der Bücher“.
Die Schreiber verehren ihn als Schutzpatron. Er gibt ihnen das Wissen und leitet zur Genauigkeit an. Deshalb spenden sie ihm ein paar Tropfen aus ihrem Wassernapf ihres Schreibzeugs, bevor sie zu schreiben beginnen. Das Schreibzeug selbst ist das „Gerät des Thot.“ Jeder Schreiber hofft, dass ihm sein Schreibzeug nach seinem Tod von Thot überreicht wird.
Neben seiner Aufgabe, Wissen zu schützen, geht aus Thot die Schrift, Rede und Sprache hervor. Er ist quasi das Gefäß, aus dem eine gute Rede und Sprache kommt. Thot erfindet die Sprache. Das galt nicht nur für die Sprache der Ägypter, sondern auch für alle Sprachen fremder Völker.
Herr der Gesetze
Die Schrift und das Wort gründen auf Gesetze, auf Satzung, Ordnung und Recht. Thot ist damit nicht nur ein ägyptischer Gott des Wissens, sondern Herr der Gesetze. Das ist eine wesentliche Funktion von ihm. Er erlässt Gesetze und regelt das Leben in der Gemeinschaft.
Er kennt das geheime Wissen und regelt kultische Angelegenheiten. Rituale und Zauberbücher wurden von ihm verfasst. Das gesamte Wissen ist in seinem Wesen zu finden. Damit gewinnt Thot große Macht über die Dinge und Menschen. Wer alle Zauberworte kennt, kann in jeder Situation angemessen agieren.
Bildliche Darstellungen von Thot
Thot wurde in zwei Formen verehrt: als Affe und als Ibis. Die Darstellung und Verehrung als Ibis ist aber bekannter und hat sich deutlich durchgesetzt. Der Kopf des Ibis ist sein Erkennungszeichen.
Eine typische Darstellung zeigt ihn als Mensch mit Ibiskopf und einer Schreibfeder in der Hand. Er wird auch als stehender oder hockender Ibis dargestellt, etwas seltener als Mantelpavian.
Thot als Zunge des Re
Durch die Macht über die Worte wird Thot zum Schöpfer. Sein Wort erschafft Dinge, Menschen und Götter. Seine schöpferische Funktion bleibt aber im Hintergrund. Er übt diese nur im Auftrag von Re aus. Damit bleibt er ihm untergeordnet.
Thot hat nicht nur an der Schöpfung, sondern auch an der Weltschöpfung Anteil. Er wird zur Zunge des Schöpfergottes bzw. zur Zunge des Re. Später wird Thot das Herz des Re genannt. Das Herz ist der Sitz des Denkens. Die Gedanken der Schöpfung kommen also ursprünglich vom Herzen. Insofern hat auch diese Bezeichnung seinen Sinn. In manchen Legenden ist Thot deshalb der älteste Sohn, das erste Geschöpf des Re.
Thot – Herr des Mondes
Thot ist der Herr des Mondes. Diese Eigenschaft wurde vermutlich ausgeschmückt, als er in Heliopolis (ägypt. On) in den Kreis von Osiris und Re aufgenommen wurde. Seine Beziehung zum Mond ist doppelter Art:
- Thot ist der Mond selbst, wurde also mit diesem identifiziert. Er erhielt manchmal das Beiwort: silberner Aton (= silberne Sonne).
- Thot ist der Herr des Mondauges. Das ist vermutlich die ältere bzw. wichtigere Auffassung. Er wird zum Beschützer und Retter des Mondauges.
Eine andere sehr alte Legende nimmt Bezug auf Thots Ursprung. Sie ließ ihn aus dem Haupt des Seth hervorkommen. Seth hatte ohne sein Wissen den Samen von Horus verschluckt, aus dem Thot dann entstand.
Hier können deutliche Parallelen zu seinem kosmischen Wesen gezogen werden. Der Lichtgott (=Mond) bricht aus dem Dunkeln, dem Chaos (=Seth) hervor. In anderen Legenden geht er aus dessen Knie oder Bein hervor.
Herr der Zeit
Thots Verbindung zum Mond geht aber noch viel weiter. Da die Zeitrechnung der Ägypter unter anderem auf dem Mondkalender gründet, wird er zum „Herrn der Zeit und dem Rechner der Jahre.“ Thot scheidet die Zeiten und Monate. Demzufolge ist das wichtige Attribut von ihm eine Palmrippe, an der, wie an einem Kerbholz, die Jahre ablesbar sind.
Damit ist Thot auch der Herr von Zahl und Maß. Auch für das irdische Rechenwesen ist Thot verantwortlich. Er notiert bei der Krönung des Königs die Jahre, Feste und Jubiläen. Er zählt die Jahre jedes Menschenlebens, von Geburt an, bis zu seinem Tod.
Schutzgott der Ärzte
Durch seinen Status als ägyptischer Gott des Wissens ist Thot ein Gelehrter. Das hat er mit den Ärzten gemeinsam. Sie verehrten ihn als Schutzgott. Die Legenden über die Heilung des Auges von Horus machen Thot zum „Arzt des Horusauges“.
Viele Augen-Legenden beschreiben ihn als jemanden, der das verschwundene Auge wieder findet oder ein verletztes Auge heilt. Als Horus sein Auge im Kampf gegen Seth verlor, wird es ihm von Thot zurückgegeben und geheilt. Aber nicht immer scheint er der Retter des Auges gewesen zu sein. In den ältesten Texten wird die Mondsichel mit einem Messer assoziiert und damit mit einer Waffe. Thot hält die Waffe in seiner Hand und schneidet Frevlern die Köpfe ab.
Thot und Re
Thots Beziehung zum ägyptischen Gott Re wird durch seine Funktion als Mondgott geprägt. Re ist die Sonne und Thot der Mond. Der Mond steht hinter der Sonne und ist ihr untergeordnet. Nun ist der Mond aber auch das Gegenbild der Sonne und erfüllt ihre Funktion, wenn diese im Westen untergeht. Thot wird zum Stellvertreter des Re. Er wird zum Gehilfen des Re, die Welt in Gang zu halten.
In seiner Funktion als Schreiber ist er der „Schreiber des Re“ und „Briefschreiber der Neunheit“. Er schreibt jede Ordnung, jedes Urteil des Re auf und hilft ihm damit gleichzeitig es zu verwirklichen. Denn im Gegensatz zu heute war im alten Ägypten das Wort und die Tat eins. Ein gesprochenes oder geschriebenes Wort wurde in Handlung umgesetzt.
Gefährtinnen von Thot
Sämtliche Gesetze und Regeln, die Thot aufschreibt, sind auf die Richtschnur der Maat ausgerichtet. Maat ist seine Gattin, die mit ihm zusammen auftritt. So sind in Schreibweisen und Amuletten das Bild des Ibis mit der Feder der Maat zu finden. Maat steht darüber hinaus mit Thot auf der Sonnenbarke des Re, die über den Himmel fährt.
Neben der Maat wurden ihm zwei weitere Gefährtinnen gegeben: Seschat (ägypt. die Schreiberin) und die in Heliopolis beheimatete Nehemetaui. Mit Nehemetaui hatte er einen Sohn: Nepheros.
Thot und das Totengericht
Thot wird in den Kreis des Osiris aufgenommen. Horus rächt den Mord an seinen Vater Osiris, indem er mit Seth kämpft. Er verliert sein Auge, welches von Thot geheilt und ihm zurückgegeben wird. Auch spricht Thot das Urteil im Göttergericht und gibt Horus und damit Osiris Recht. Als Seth mehr und mehr abgedrängt und dem Unheil zugeordnet wurde, fügte man Thot an dessen Stelle in der Ordnung der Neunheit ein. Sie setzte sich jedoch nie vollkommen durch.
Nicht nur Horus und Osiris, auch Isis steht Thot bei. Isis wird manchmal seine Mutter, manchmal auch seine Tochter genannt. Das mag mit den zauberkräftigen Worten zusammenhängen, die beiden zu eigen ist.
Thot spielt für die Toten eine genauso wichtige Rolle wie für die Lebenden. Im Totenreich wacht er über das Göttergericht (Totengericht). Er kontrolliert das Wiegen der Herzen und notiert das Ergebnis.
Ist das Herz nicht schwerer als die Feder der Maat, erwartet den Toten das ewige Leben. Wiegt es schwerer als die Feder der Maat, so wird das Herz von der Verschlingerin verspeist und der Tote stirbt endgültig. Thot hilft damit den Toten, sich vor dem Jenseitsgericht zu rechtfertigen.
Thot wird mit dem griechischen Gott: Hermes gleichgesetzt.
Quellen
- Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 805 bis 812 (Thot).
- Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2021, 9. Oktober) „Thot“ (Stand: 04.11.21).
- *Beitragsbild: Illustration von Harald Schmidt. Thot als Beschützer vor den Dämonen (nach dem Papyrus von Ani, Britisches Museum).
- Relief (Doppeltempel in Kom Ombo): Thot, Isis und der Pharao, Pixabay.
- Heiliger Ibis, Pixabay.
- Illustration: Thot, Adobe Stock.
- Illustration: Der Heilige Baum von Heliopolis (Isched-Baum), Wikipedia.
- Das Totengericht, Pixabay.
Wieso steht hier nichts, wer Thot angebetet hat?
Gesichert ist, dass die Ärzte Thot als Schutzgott verehrten, denn er war – wie sie – ein Gelehrter. Die Mythen um das verschwundene Horusauge sind stark mit Thot verknüpft, da er das veletzte Horusauge fand, Horus zurückgab und heilte. Auch die gesamte Zunft der Schreiber verehrten ihn als Schutzpatron und spendeten ihm als Form ihrer Verehrung ein paar Tropen aus ihrem Wassernapf, bevor sie anfingen zu schreiben. Besondere Verehrung genoss er in Hermopolis. Dort galt er als Hauptgott. Es gab dort ausgeprägte Thot-Kulte und einen Thot-Tempel, der aber archäologisch noch nicht verifiziert werden konnte. Allerdings ist seine wichtige Bedeutung in den beschriebenen Funktionen durch Aufzeichungen auf Papyri und Inschriften sehr gut belegt. Hermopolis ist die Stadt des griechischen Gottes Hermes und daher die Stadt von Thot. Denn Thot wurde mit Hermes gleichgesetzt.