Die Sonnenbarke (auch Sonnenschiff) ist Symbol für den Lauf der Sonne. Sie transportiert die Sonne am Tag über den Himmel und nachts durch die Unterwelt. Das passt zur altägyptischen Vorstellung, dass es sich um eine Himmelsflut handelt, durch welche die Sonnenbarke steuert. Auch das Bild des Himmels in Form einer Frau oder Kuh widerspricht dem nicht. Denn die Himmelsbarke fährt an ihrem Leib entlang.
Die Sonne bzw. das Sonnenauge auf der Barke wird durch Re (auch Ra), dem Sonnengott dargestellt, der die Sonnenscheibe auf seinem Kopf trägt. Sie kann aber auch durch den Sonnenvogel Benu (= Phönix) dargestellt werden, der eine Erscheinungsform von Re ist, wie oben auf der Truhe abgebildet. Bei dem Vogel handelt es sich um einen Reiher.
Die Form der Sonnenbarke
Die Form, in welcher die Barke dargestellt wird, variiert. Sie kann sehr primitiv dargestellt werden, ein mit Schilfbündeln geflochtenes zweiteiliges Floß. Doch eine Form setzte sich im Laufe der Zeit durch. Das Heck und der Bug der Sonnenbarke sind hochgezogen, wie oben auf allen drei Abbildungen. Manchmal hängt vom Bug eine Ziermatte herab. Das Sonnenschiff wird teils reich verziert und mit Symbolen bestückt. Es wird als strahlend gold beschrieben, aber nicht immer in dieser Farbe und Leuchtkraft dargestellt.
Besatzung der Sonnenbarke
In der Mitte der Sonnenbarke thront Re, umgeben von anderen Göttern, die auch variieren können. Manchmal sitzt er in einem Schrein auf einem Thron. Oft nimmt Thot den ersten Platz neben bzw. vor Re ein. Re kann sich auch in anderen Herrscherpersönlichkeiten verkörpern, zum Beispiel durch die Maat, Sia (Personifikation der Erkenntnis und des Verstandes) und Hu (Personifikation des Wortes).
Sia und Hu spielen hier eng zusammen, denn das von Sia Erdachte wird durch das Wort von Hu Realität. Es handelt sich also um einen Schöpfungsakt. Auch Thot wird manchmal als Sia angesprochen – beide rücken also eng zusammen, was nicht verwundert, da Thot der Gott des Wissens ist.
Die Sterne gelten ebenfalls als Bemannung der Barke. Sie führen das Ruder oder bilden das Gefolge von Re am nördlichen und südlichen Himmel.
Die Tages- und die Nachtbarke
Das Gefolge von Re teilt sich in zwei Mannschaften. Am Abend muss der Sonnengott sein Gefährt wechseln und sich auf die Nachtbarke begeben. Begleitet wird er von den „Unermüdlichen“, also von Sternen, die gleich ihm auf- und untergehen. Sie fahren über den Gegenhimmel zum Osten zurück. Dann wechselt der Sonnengott wieder auf die Tagesbarke. Begleitet wird er dann von den „Unvergänglichen“, das bedeutet von Sternen, die nicht untergehen. Man nennt sie Zirkumpolarsterne, da sie sich so nahe am Polarstern befinden, dass sie nicht am Horizont verschwinden. Der Wechsel der Barken wird im Alten Ägypten gerne auch bildlich dargestellt.
Von der Form her gleichen sich beide Barken. Doch sie haben unterschiedliche Namen. Die Tagesbarke heißt Manezet. In diesem Schiff erscheint der Gott am Morgen unversehrt aus dem Dunkel. Die Nachtbarke heißt Mesektet. In diesem Schiff geht der Gott am Abend unter.
Doch später werden die Namen vertauscht. Mesektet wird zur Tagesbarke und Manezet zur Nachtbarke. Vielleicht veränderte sich die Bedeutung des Wortes Mesektet und wird allgemeiner verstanden: „Götterschiff“. Man weiß es nicht.
Die Gründe für den Tausch sind undurchsichtig. Vielleicht könnte die Gleichsetzung beider Barken mit den beiden Augen des Himmelsherrn zusammenhängen, dem Sonnenauge und dem Mondauge. Es ist gut möglich, dass die rechte westliche Seite, mit dem rechten Auge, dem Sonnenauge, verbunden wird. Entsprechend die linke östliche Seite mit dem linken Mondauge. Doch im Osten geht die Sonne auf und das Mondauge gehört zur Nachtbarke. Das könnte den Anlass zum Tausch gegeben haben.
Beide Barken werden auch als Maati bezeichnet (-> Maat).
Fahrt auf der Sonnenbarke im Jenseits
Man fand Modelle von Sonnenbarken in vielen Gräbern. In den Totentexten wird ihre Funktion beschrieben. Der Tote im Jenseits hat den Wunsch bei Re zu sein und mit ihm auf der Sonnenbarke zu fahren. Er will teilhaben am ewigen Leben der Götter und ihres Regiments über die Welt. Er ist auch bereit, die Barke zu schützen und für ihre Sicherheit Apophis abzuwehren. Die Sonnenbarke ist hier also Symbol für ein ewiges Leben, gleichberechtigt an der Seite der Götter.
Ein Ausschnitt von Vers 136 B aus dem Ägyptischen Totenbuch:
„… Komm und zieh vorbei,
wenn die Barke des Herrn der Erkenntnis dahinfährt,
(denn) du bist der Erbe des Größten –
wenn das Feuer (wütet), lösche das Feuer!
Bahnt mir den Weg –
ihre Aufleuchtenden sind es, die (mich) eintreten lassen in den Horizont,
und vorbeiziehen lassen neben den Größten.
Der in der Barke legt Zeugnis für mich ab,
der feurige Hofstaat eilt für mich dahin,
der um den Herrn der Gelockten ist …“
Die Barke ist aber auch ein Träger von Speisen und Opfern für den Sonnengott.
Prozessionen mit der Barke
Die Alten Ägypter führten regelmäßige Prozessionen mit der Barke durch. Dabei trugen jene Priester die Barken, die für die entsprechende Gottheit zuständig waren. Die Gottheit bzw. eine heilige Darstellung von ihr, befand sich mittig des Schiffes in einem Schrein (Naos), der allerdings verschlossen blieb. So fand man den Kopf des Gottes oder sein heiliges Tier entweder am vorderen oder hinteren Ende der Barke. Manche Barken bauten die Ägypter so, dass sie auch im Wasser schwimmen konnten.
Der Weg der Barke wurde vor dem Antritt der Reise genau festgelegt. Manchmal wurden unterwegs andere Gottheiten besucht, damit sie miteinander kommunizieren konnten. Man pausierte regelmäßig, um Orakel zu befragen und die Antworten zu verkünden. Die Existenz und Präsenz des Gottes durch Prozessionen sollten sie für die Menschen erfahrbar machen und in ihr Bewusstsein rufen. Die Barke in Anlehnung an die Sonnenbarke wird hier zum Symbol der Nähe und Begegnung mit dem Gott.
Durch den Mythos des Sonnengottes auf der Sonnenbarke war die Barke, die für Prozessionen benutzt wurde, ein heiliges Symbol.
Barke in der Schrift der Hieroglyphen
Barken kann man sehr gut erkennen, wenn sie in der Hieroglyphenschrift auftauchen, denn ihre Form ist unverkennbar.
Quellen
- Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 715 (Sia), Seite 738 bis 741 (Sonnenschiff).
- Hornung, Erik (eingeleitet, übersetzt und erläutert), „Das Totenbuch der Ägypter“, 2. Auflage 2000, Artemis & Winkler Verlag, ppb-Ausgabe 1998 Patmos Verlag GmbH & Co. KG. Spruch 136 B, Seite 265.
- Owusu, Heike (1998), „Symbole Ägyptens“, Schirner Verlag, Darmstadt, Seite 154 (Barke mit Götterschrein).
- Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2021, 5. Juni), „Sonnenschiff„, (Stand: 17.12.21).
- Beitragsbild – Ausschnitt: Sonnengott Re in der Sonnenbarke, Adobe Stock.
- Barke mit Reiher (Benu, der Sonnenvogel = Phönix), Pixabay.
- Re (auch Ra) auf der Barke, Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 05. Juni 2021), Sonnenschiff.
- Einfache, eher primitive Barke, Pixabay.
- Modell einer Barke, Pixabay.
- Illustration: Tages- und Nachtbarke, Pixabay.
- Barke mit einem Sakropharg, Adobe Stock.
- Prozessionsbarke mit geschlossenem Schrein, Pixabay.
- Relief: Drei Priester tragen eine Prozessionsbarke, Pixabay.
- Barke inmitten von Hieroglyphen, Vergrößerung eines Bildes v. H. Dunau.